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Die Gebrauchsanweisung – mehr als nur eine Pflicht

Die Gebrauchsanweisung ist die direkte Schnittstelle zwischen Hersteller und Anwender. Daher kommt diesem Dokument unter der MDR eine besondere Bedeutung zu.

Terminologie

Die Auseinandersetzung mit der Gebrauchsanweisung beginnt schon bei der korrekten Benennung. Die MDR definiert die „Gebrauchsanweisung“ in Artikel 2 (14) als „ vom Hersteller zur Verfügung gestellte Informationen, in denen der Anwender über die Zweckbestimmung und korrekte Verwendung eines Produkts sowie über eventuell zu ergreifende Vorsichtsmaßnahmen unterrichtet wird“. Die englische Bezeichnung ist „instructions for use“ wird in der Regel als „IFU“ abgekürzt. Davon abweichende Begrifflichkeiten wie „Gebrauchsanleitung“ oder „Gebrauchsinformationen" sollten daher vermieden werden.

Pflicht zur Bereitstellung

Zu den allgemeinen Pflichten des Herstellers gehört es, Informationen zum Produkt zur Verfügung zu stellen (MDR, Artikel 10 und Anhang I, Abschnitt 23). Inhalt und Lesbarkeit sollen für den vorgesehenen Anwender angemessen sein, wobei der Begriff „Lesbarkeit“ sicherlich auch die „Verständlichkeit“ umfasst.

Eine Ausnahme gilt für Produkte der Klassen I und IIa. Bei diesen Produkten ist die Gebrauchsanweisung laut MDR entbehrlich, wenn die Produkte selbsterklärend sind und es vorausgesetzt werden kann, dass der Anwender mit der sicheren  Verwendung vertraut ist. Dies kann für einfache Produkte/Instrumente zutreffen, die zum alltäglichen Handwerk des praktizierenden Arztes gehören. Es ist aber auch zu beachten, dass die Gebrauchsanweisungen wichtige Informationen z.B. zur Wiederaufbereitung enthalten können.

In Gebrauchsanweisungen für Medizinprodukte für die Laienanwendung sind mehr Informationen notwendig. In diesen Fällen spricht vieles für eine obligatorische Gebrauchsanweisung.

Klinische Bewertung

Die klinische Bewertung bildet das Risikoprofil des Medizinprodukts ab und beinhaltet, als einen wesentlichen Teil, den Abgleich der Informationen in der Gebrauchsanweisung mit dem Stand der Wissenschaft. Zwingend notwendige Informationen in der Gebrauchsanweisung sind Angaben zur Zweckbestimmung mit einer genauen Angabe der Indikationen, Kontraindikationen, der vorgesehenen Patientengruppe und des Anwenders.

Gerade bei generischen Produkten, die bei einer wenig spezifischen, allgemeinen Patientengruppe angewendet werden, mögen diese Angaben etwas „überfrachtet“ wirken. Dennoch müssen diese Informationen dem Anwender vollumfänglich  zur Verfügung gestellt werden, denn die klinische Bewertung muss diese Informationen in die Beurteilung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses eines Medizinprodukts einbeziehen. Dies gilt auch für Restrisiken, Kontraindikationen und mögliche Komplikationen, welche dem Anwender (und dem Patienten) in Form von Beschränkungen, Vorsichtsmaßnahmen und Warnhinweisen zu bennen sind. Auch hier prüft die klinische Bewertung die Übereinstimmung der Gebrauchsanweisung mit dem aktuellen Stand der Wissenschaft.

 

Gebrauchsanweisung, Risikoanalyse und die klinische Bewertung müssen zusammenpassen

 

Aus unserer Erfahrung sind auch Benutzungsmodalitäten, die quantitativ angegeben werden, wie z.B. eine bestimmte Anwendungsdauer oder eine spezifische Dosierung, zu hinterfragen. Solche Angaben sind mit der klinischen Bewertung abzugleichen und müssen dem Stand der Wissenschaft entsprechen.

Werbeangaben

Eng verknüpft mit der Gebrauchsanweisung, ist die werbliche Darstellung des Produkts. Wie wird das Produkt auf der Webseite und in Broschüren beworben? Die dort getätigten Aussagen zu Leistung, Sicherheit, Indikation und Anwender müssen a) belegbar sein und b) mit den Angaben in der Gebrauchsanweisung übereinstimmen. Solche Werbeaussagen (Claims) führen manchmal ein gewisses Eigenleben und könnn nicht angemessen durch den Stand der Wissenschaft  der technische Untersuchenungen belegt werden. Die Erfahrung lehrt allerdings auch, dass gerade solche Werbeangaben, seitens der Benannten Stellen gerne hinterfragt werden. Artikel 7 der MDR untersagt es ausdrücklich, in der Gebrauchsanweisung und der Werbung für den irreführende Angaben bezüglich Zweckbestimmung, Sicherheit und Leistung des Produktes zu machen.

Vigilanz und Risikoanalyse

Neben der Information des Anwenders oder Patienten, ist es  auch im Sinne des Meldewesens notwendig, alle Erkenntnisse zu Risiken und möglichen Komplikationen, welche im Rahmen der klinischen Bewertung identifiziert und im Rahmen der Risikoanalyse diskutiert wurden, in die Gebrauchsanweisung zu übernehmen. Dies gilt ebenso für die in der Risikoanalyse definierten Maßnahmen. Das kann eine Information, ein Warnhinweis oder eine Beschränkung sein, welche sich an den Anwender / Patienten richtet. Solche Maßnahmen dürfen nicht an der Schnittstelle zwischen Risikomanagement und Gebrauchsanweisung verloren gehen.

Von besonderem Interesse dürfte dabei Absatz 1 (a) des Artikels 87 (MDR) sein, welcher die Meldung von schwerwiegenden Vorkommnissen in Zusammenhang mit auf dem Unionsmarkt bereitgestellten Produkten behandelt. Die Meldepflicht entfällt nämlich, wenn dieses Vorkommnis eine „erwartete Nebenwirkung“ ist, die in den Produktinformationen (also der Gebrauchsanweisung) bereits eindeutig dokumentiert ist. Außerdem müssen die „erwarteten Nebenwirkungen in der  technischen Dokumentation, also der Risikoanalyse und der klinischen Bewertung quantifiziert werden und Gegenstand von Trendmeldungen sein.

Fazit

  • Im Zuge der Transition in die Regularien der MDR wird in vielen Fällen eine Revision der Gebrauchsanweisung gemäß der umfangreichen Vorgaben des Anhangs I notwendig sein. Dabei ist zu beachten, dass die Angaben in der Gebrauchsanweisung mit den klinisch relevanten Teilen der technischen Dokumentation „ in Phase schwingen“: Die Angaben, Maßnahmen und das präzise Wording (zu Zweckbestimmung, Indikation, Kontraindikationen, Patientenpopulation, Anwendern, Warnhinweise, mögliche Komplikationen etc.), müssen in allen Teilen der technischen Dokumentation aufeinander abgestimmt sein.
  • Es gibt eine große Anzahl an Schnittstellen zur klinischen Bewertung, zum Risikomanagement, aber auch zur Gebrauchstauglichkeit und zum Vigilanz-System.
  • Die Angaben in der Gebrauchsanweisung zur Anwendung, Zweckbestimmung, Indikation, Kontraindikationen,Patienten, Anwender, Warnhinweise, Risiken, etc. müssen durch den aktuellen Stand der Wissenschaft und / oder klinische Daten belegbar sein.
  • Marketingaussagen sind Teil der technischen Dokumentation und müssen ebenfalls auf die klinische Bewertung und die Gebrauchsanweisung abgestimmt sein.

Kontakt

Regulatory Affairs Practice Team
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Dr. rer. nat. Timo Weiland
Director Research & Development, Prokurist
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