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Clinical Evaluation Consultation Procedure

To-dos für die klinische Bewertung

Viele Erwägungsgründe haben zur Formulierung der Medizinprodukte-Verordnung (EU) 2017/745 (MDR) geführt. Transparenz und der Schutz der öffentlichen und Patientensicherheit werden prominent genannt. Um mit der wissenschaftlichen und technischen Entwicklung Schritt halten zu können und divergierende Interpretationen zu überwinden, hat die EU Expertengremien (eng. Expert Panels) eingerichtet. Diese können von den Benannten Stellen im Prozess der Konformitätsbewertung bestimmter Medizinprodukte herangezogen werden. Was ist ein Expertengremium? Wann muss ein Produkt den Konsultations-prozess durchlaufen? Welche Rolle spielt dabei die klinische Bewertung? Diese Fragen werden in diesem Artikel beantwortet.

Welche Produkte können
betroffen sein?

Das CECP (Clinical Evaluation Consultation Procedure), zu Deutsch „Konsultationsverfahren im Zusammenhang mit der klinischen Bewertung“, ist ein in der MDR beschriebenes Verfahren (Artikel 54 und Anhang IX, Abschnitt 5.1). Es ist als Teil der Konformitätsbewertung für bestimmte Produkte vorgesehen, nämlich:

  • Implantierbare Produkte der Klasse III und
  • Aktive Produkte der Klasse IIb, die dazu bestimmt sind, ein Arzneimittel gemäß Anhang VIII Abschnitt 6.4 (Regel 12) an den Körper abzugeben und/oder aus dem Körper zu entfernen, bspw. Dialysesysteme.

In der Folge nennen wir diese Produkte „CECP-Produkte“. Das Verfahren kann sowohl bei erstmaliger MDR-Zertifizierung von Bestandsprodukten oder neuen Produkten, als auch bei MDR-Rezertifizierungen initiiert werden, sofern entsprechende Änderungen am Produkt vorgenommen wurden.

Wann ist ein CECP nicht erforderlich?

Es gibt Ausnahmen für CECP-Produkte, in denen das Konsultationsverfahren nicht erforderlich ist. Diese sind laut Art. 54(2) MDR:

  • wenn eine gemäß dieser Verordnung [MDR] ausgestellte Bescheinigung erneuert wird,

►    Hier sind MDR-Rezertifizierungen gemeint

  • wenn das Produkt durch Änderung eines Produkts ausgelegt wurde, das bereits vom selben Hersteller mit derselben Zweckbestimmung in Verkehr gebracht wurde, sofern der Hersteller der Benannten Stelle zu deren Zufriedenheit nachgewiesen hat, dass die Änderungen das Nutzen-Risiko-Verhältnis des Produkts nichts beeinträchtigen,

►    Hier sind Legacy Devices gemeint, die weitestgehend unverändert in die MDR überführt werden.

  • Die Grundsätze der klinischen Bewertung der entsprechenden Produktart oder -kategorie in einer Spezifikation gemäß Artikel 9 festgelegt wurden und die Benannte Stelle bestätigt, dass die klinische Bewertung dieses Produkts durch den Hersteller mit der einschlägigen Spezifikation für die klinische Bewertung dieser Art von Produkt im Einklang steht.

►    Für das betroffene CECP-Produkt liegen einschlägige Spezifikationen (eng. „Common Specifications“) vor.

Zur Interpretation des Artikels 54 MDR gibt es zusätzlich ein MDCG Dokument (MDCG 2019-3). Daraus wird deutlich, dass Legacy Devices unter diese Ausnahme nach Art. 54(2b) MDR fallen. Ebenso werden dort Art und Umfang der Änderungen aufgegriffen. Danach sind hier nur solche Änderungen gemeint, wel­che zur Einhaltung der Anforderungen unter der MDR notwendig werden. Dazu gehören bspw. Änderungen im PMS-System unter Berücksichtigung der Anforderungen zur Summary of Safety and Clinial Performance (SSCP), oder auch Änderungen am Labeling um die entsprechenden grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen zu erfüllen.

Welche Trigger können ein CECP für Legacy Devices auslösen?

Obwohl Legacy Devices nach Art. 54(2b) meist ausgenommen sind, können die folgenden Aspekte ein CECP auch für diese Produkte auslösen:

  • Änderungen oder Erweiterungen der Zweckbestimmung und/oder der Indikationen.
  • Erweiterung der Patientenpopulation
  • Hinzufügen von Größen oder Varianten, welche nicht durch die vorherige Zertifizierung unter MDD abgedeckt waren
  • Tiefgreifende Änderungen klinischer Prozeduren bzw. der Operationstechnik
  • Änderungen am Produkt und / oder dessen Zubehör welche eine Bewertung zusätzlicher klinischer Daten notwendig machen.

Wie läuft das CECP ab?

Das Konsulationsverfahren wird recht spät im Konformitätsbewertungsprozess angestoßen. Die Benannte Stelle teilt den zuständigen Behörden mit, ob das CECP anzuwenden ist (Art. 54(3) MDR). Die Benannte Stelle muss ihre Entscheidung dokumentieren und den zuständigen Behörden via EUDAMED zur Verfügung stellen.
Entschließt sich die Benannte Stelle für ein Anstoßen der CECP, werden folgende Dokumente beim Sekretariat der Expertengremien zur Verfügung gestellt:

  • Plan zur klinischen Bewertung (Clinical Evaluation Plan (CEP)),
  • klinische Bewertung (Clinical Evaluation Report (CER)),
  • PMCF-Plan,
  • PMCF-Bericht und
  • Clinical Evaluation Assessment Report (CEAR).

Nach 7 bis 10 Tagen wird diese Einreichung zum Screening Panel weitergeleitet. Das Screening Panel entscheidet innerhalb von 21 Tagen, ob für den vorliegenden Fall ein wissenschaftliches Gutachten (eng. „Opinion“) durch ein Expertengremium angezeigt ist. Kriterien, die dabei durch das Screening Panel berücksichtigt werden, sind nach Abschnitt 5.1c Anhang IX MDR:

  • Neuartigkeit des betreffenden Produkts oder des damit verbundenen klinischen Verfahrens und seine möglichen erheblichen klinischen Auswirkungen oder Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit;
  • erhebliche nachteilige Änderung des Nutzen-Risiko-Profils einer speziellen Kategorie oder Gruppe von Produkten aufgrund wissenschaftlich fundierter Gesundheitsbedenken in Bezug auf ihre Komponenten oder ihr Ausgangsmaterial oder in Bezug auf die Gesundheitsauswirkungen bei Versagen des Produkts
  • erheblich vermehrtes Auftreten schwerwiegender Vorkommnisse gemäß Artikel 87 bei einer speziellen Kategorie oder Gruppe von Produkten.

Kommt das Screening Panel zu der Entscheidung, dass ein wissenschaftliches Gutachten vorzulegen ist, werden die Informationen an das entsprechende Expertengremium weitergeleitet. Das Gutachten wird dann innerhalb von 39 Tagen der Benannten Stelle vorgelegt und ist innerhalb von 7 Tagen von dieser an den Hersteller weiterzugeben.

Bis der Hersteller die Informationen aus dem CECP-Prozess enthält, dauert es also gemäß der MDR 74 – 77 Tage.

Expertengremien

Es gibt 11 Expertengremien für verschiedene Fachrichtungen, die jeweils Untergruppen für bestimmte Teilgebiete haben können. Bei den Mitgliedern der Expertengremien handelt es sich jeweils um Experten auf ihrem Gebiet, die von der Europäischen Kommission auf der Grundlage ihrer wissenschaftlichen, klinischen und technischen Fachkenntnisse nach einem Aufruf zur Interessenbekundung ernannt werden. Die Auswahl und Ernennung wird von der Europäischen Kommission getroffen in Absprache mit der MDCG.

Die Zusammensetzung der Expertengremien und die veröffentlichen Gutachten sind auf Webseiten der Europäischen Kommission einsehbar.

Welchen Einfluss kann das CECP haben?

Die Empfehlungen der Expertengremien sind für die Benannten Stellen nicht bindend. Das Gutachten wird zusammen mit der Entscheidung des Benannten Stelle auf EUDAMED veröffentlicht.
Auf Basis des Gutachtens kann die Benannte Stelle eine Einschränkung der Zweckbestimmung vornehmen, die Dauer oder den Umfang des Zertifikats limitieren oder Anpassungen an der technischen Dokumentation einfordern.

To-dos für die klinische Bewertung von Legacy Devices

Obwohl nach Artikel 54(2b) MDR eine Ausnahmeregelung für Legacy Devices besteht, gibt es doch einige Punkte, die ein CECP im Rahmen des Konformitätsbewertungsverfahrens auslösen können. Das gilt insbesondere für Änderungen am Produkt, die die Sicherheit betreffen. Da das Screening Panel darüber entscheidet, ob ein Gutachten eingeholt wird, ist es empfehlenswert dem Screening Panel bereits in der klinischen Bewertung relevante Informationen zur Verfügung zu stellen.

Die klinische Bewertung sollte Änderungen am Produkt bzw. an der Definition des Produkts bzgl. der o.g. Trigger klar benennen, die Einführung dieser Änderungen begründen, die Änderungen risikobasiert diskutieren und ggf. risikominimierende Maßnahmen beschreiben.

►    Diese Grundzüge des Änderungsmanagements verstärken die Vernetzung von QMS und klinischer Bewertung und helfen der Benannten Stelle (und gegebenenfalls dem Expertengremium), angemessene Entscheidungen im CECP zu treffen.

Darüber hinaus sollte die klinische Bewertung auch eine Diskussion der Neuerungen, erheblichen Änderungen der Nutzen-Risiko-Verhältnisses und ggf. das Auftreten von schwerwiegenden Ereignissen gemäß MDR Anhang IX, Abschnitt 5.1 c (siehe oben) enthalten.

Diese Diskussion kann die Arbeit der Benannten Stelle und des Screening Panels erleichtern und sollte auch für Erstzertifizierungen berücksichtigt werden.

Fazit

Das CECP ist ein in der MDR beschriebenes Verfahren innerhalb der Konformitätsbewertung für bestimmte Produkte der Klassen III und IIb. Ein Expertengremium kann von der Benannte Stelle für das Konformitätsbewertungsverfahren herangezogen werden. Das Expertengremium kann ein wissenschaftliches Gutachten vorlegen, welches durch die Benannte Stelle im Abschluss des Konformitätsbewertungsverfahrens berücksichtigt wird. Auch Legacy Devices können vom CECP betroffen sein. Kriterien zum Anstoßen des CECP sowie Kriterien zu Vorlage eines wissenschaftlichen Gutachtens sind vor allem Innovationen, erhebliche Änderungen des Nutzen-Risikoverhältnisses und die Häufung von schwerwiegenden Ereignissen. Diese Aspekte sollten in der klinischen Bewertung potenziell betroffener Produkte (Legacy Devices und auch neue Produkte) adressiert werden, um die notwendigen Entscheidungen im CECP-Prozess zu erleichtern.

Kontakt

Amko Groeneveld, B.Sc.
amko.groeneveld@novineon.com
+49 7071 / 98979 - 147

Amko Groeneveld, B.Sc.
Senior Consultant
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